Museen in Bremen

Museen, Ausstellungen und kulturelle Bildung in Bremen

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Museumszeit

Saskia Senge & Maria Visser: im Interim

8. Juni 2022 by Galerie K'

Maria Visser | Futur-X / What has the future in store for me | 2021 | Silberdraht | Foto Volker Crone

Das alles sind Slices of life:  ein Basecap auf dem Amazon steht, ein Feuerzeig, ein Mega-Pilz aus Mario-Land, ein Energydrink in der Dose. Mag sein, es handele sich um ein entfremdetes, verformtes, vielleicht sogar falsches Leben. Allerdings gibt es kein anderes in einer entfremdeten, verformten, vielleicht sogar falschen Welt. Diese Dinge sind trist, aber auch einziger Trost. Aufgesammelt und aufgereiht als Relikte eines falschen aber doch einzigen Alltags, sind sie wie ein Eintrag im Tagebuch. Um Relikte zu sein sind sie noch zu sehr Teil dieser Wirkllichkeit, sind sie zu gegenwärtig. Sie lassen sich noch nicht von dieser gegenwärtigen Welt lösen. Sie sind mit ihr identisch. Wenn sie sich etwas abzulösen beginnen, leicht Vergangenheit geworden sind, lassen sie sich besser betrachten.

What has the future in store for me, das fragt die Mode selbst, in Silberdraht als Haarschmuck. Die Mode stirbt oft, sie stirbt nahezu täglich. Das Lager dieser Zukunft muss voll sein mit lauter Leichen. Wenn man sie da raus holt, erstrahlt das Alte als etwas Neues. Auf diese Weise löst es sich es sich von der gegenwärtigen Welt und lässt sich betrachten. Nicht ganz identisch mit ihrer Gegenwart erwächst ein Handlungsraum. Im Handgemenge der Geschichte löst sich eine Gegenwart auf und eine andere, vielleicht ganz andere tritt an ihre Stelle. Die Protagonisten der französischen Revolution trugen Gewänder der Antike. Möglciherweise taten sie dies auch, weil die Ideen der alten Polis, Wahrheitsglaube und demokratisches Gemeinwesen, noch nicht verwirklicht waren. Im Leichenlager der Zukunft liegt neben gelebtem auch ungelebtes Leben.

Kategorie: Ausstellung

Michael Schmid: text

4. Juni 2022 by Galerie K'

Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich daß schon viel später war als ich geglaubt hatte, ich mußte mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: ‚Von mir willst Du den Weg erfahren?‘ ‚Ja‘ sagte ich ‚da ich ihn selbst nicht finden kann‘ ‚Gibs auf, gibs auf‘ sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.

Franz Kafka: Gibs auf, 1922

Gleisdreieck | 2022 | Pigmentdruck, gerahmt | 51,5 x 64,5 cm

Kategorie: Galerien

Galerie K‘ – Christian Haake: in cases off

15. März 2022 by Galerie K'

Eröffnung
19. März | ab 16 Uhr

Zur Ausstellung erscheint eine Fotoedition.

lamp/palm, 2020/22, Pigmentdruck im Passepartout, 36 x 26 cm

Christian Haake macht die Conditio des spätmodernen Menschen erkennbar. Gleichzeitig holt er sie kritisch reflexiv ein, zeigt die Flüchtigkeit der Moderne und tritt ihr zugleich entgegen. Er tut dies in drei zentralen Aspekten: Zunächst die technologische Beschleunigung – sie wird kenntlich durch die Dynamik, mit der diese Bilder organisiert sind, etwa jenen den Blick beschleunigenden Fluchtlinien, oder Formen, die wie ins Bildzentrum hineingeschleudert wirken oder reliefartig aus ihm herauszubrechen scheinen (…). Diese Dynamik steht in einem krassen Spannungsverhältnis zum künstlerischen Prozess, zu Christian Haakes „Zeit verschwendender“ Handarbeit, bis in jedes Detail, denn Haake baut seine Bilder, verwendet keine vorgefertigten Teile, konstruiert und rekonstruiert seine Erinnerungen bis in die kleinsten Einzelheiten. Zweitens: ökonomisches Wachstum. Auf diesen Bildflächen überlagern sich einerseits die Zeichen, als gelte es, die berühmte Schumpetersche ›schöpferische Zerstörung‹ durch Konsum, die Dynamik des Wirtschaftens selbst zu demonstrieren. Zugleich wird das, was vom ökonomischen Wachstumsprozess ausgespült wird, das Wertlose und Nebensächliche, handwerklich aufwändigst geborgen und so dem ökonomisch Vergänglichen Dauer und ästhetischer, ja sogar materieller Wert verliehen. Schließlich betrifft drittens diese ästhetisch-kritische Reflexion auch die kulturelle Steigerungslogik, der Fetisch des Immerneuen, des Dauerinnovativen der Selbstoptimierung. Hier sucht Haake nicht nur die vergänglichen, untergegangenen Zeichen, sondern rekonstruiert sie mit handwerklichen Verfahren, die selbst aus der industriellen Moderne stammen, wie dem Tiefziehen von Kunststoffformen, dem Gießen und Schleifen, dem Laserschnitt, usw. Aber natürlich nicht, um eine Massenproduktion zu starten, sondern um entgegen der Funktionslogik dieser Verfahren Einzelstücke zu realisieren.

Es sind aber nicht nur diese drei Spannungsverhältnisse, die Christian Haakes Arbeiten im Kontext der „flüchtigen Moderne“ erzeugen. Um einen weiteren, wichtigen Aspekt dieser künstlerischen Praxis zu verstehen, muss man den theoretisch aufgeladenen Begriff des ›Denkbildes‹ ins Spiel bringen. Walter Benjamin wendet sich mit diesem Begriff gegen eine rein bildliche Darstellung von Wirklichkeit, gegen eine schiere Widerspiegelung derselben. Das, was Benjamin in der Einbahnstraße, der Berliner Kindheit oder im berühmten Passagenwerk macht, ist stattdessen eine Art erkenntnistheoretische Kristallisation von Wirklichkeit, in der Subjektivität und Objektivität, wahrnehmendes Ich und sein Gegenstand verschmelzen. Was Ernst Bloch über Benjamins sprachliches Verfahren sagte, könnte ebensogut auch für Christian Haakes künstlerische Praxis gelten: Wie Segelschiffe in der Flasche stecken, wie Blütenbäume, schneebedeckte Türme im Spielzeug drehbarer Glaskugeln eingeschlossen und verwahrt scheinen: so stecken hier Philosopheme der Welt unterm Glas der Schaufenster.

Auszug aus: Thorsten Jantschek, Denkbilder der flüchtigen Moderne – Notizen zu Christian Haakes neue Arbeiten, Deutschlandfunk Kultur, 2021

Kategorie: Allgemein, Ausstellung, Galerien

Galerie K‘ – Tabea Blumenschein

15. März 2022 by Galerie K'

Eröffnung
19. März | ab 16 Uhr

Die Ausstellung ist in den Schauräumen in der Weberstraße 51a zu sehen.

Foto Martin Schmitz, 1991

Besuch nach Anmeldung unter: 0421 161 426 92 oder info@k-strich.de.

Zur Ausstellung erscheint im Hybriden-Verlag, Berlin das Künstlerbuch Die Knochenband, mit Zeichnungen von Tabea Blumeschein von 2018. Das Buch kann unter versand@k-strich.de vorbestellt werden.

Tabea Blumenschein (1952–2020) war während der 80er Jahre in der West-Berliner Szene der Genialen Dilletanten aktiv. Seit 1980 war sie immer wieder Teil der Tödlichen Doris. Bekannt wurde sie durch eine Reihe experimenteller Filme, an denen sie als Regisseurin, Schauspielerin und Kostümbildnerin mitwirkte. 1975 produzierte sie gemeinsam mit Valeska Gert und Ulrike Ottinger ihren ersten Film, Die Betörung der blauen Matrosen. Ihr bekanntester Film ist Bildnis einer Trinkerin von 1979. Sie wirkte an mehreren Super-8-Filmen der Tödlichen Doris mit, darunter Das Graupelbeerhuhn (1982) und Alice und das Meer (1983). Als Musikerin war sie an den Tödliche Doris Alben Unser Debut (1985) und Chöre und Soli (1983) beteiligt. Sie entwarf die meisten Kostüme der Gruppe und nahm an den Performances auf Helgoland, in Berlin und in New York teil. Tabea Blumenschein war auch als bildende Künstlerin bekannt. In den späten 70er und 80er Jahren war sie Teil einer jungen Westberliner Szene aktiv, die dilettantisch primitiv und expressiv die durch abstrakte Plastik verdrängte Malerei neuerfanden. Zuletzt steuerte sie für das Tödliche Doris Album Reenactment (I) (2019) eine Mappe mit Zeichnungen von Vibratoren bei.

Erstmals nach ihrem Tod im Frühjahr 2020 wird das Werk der Künstlerin in einer Einzelausstellung gewürdigt. Gezeigt werden vorwiegend Arbeiten aus den frühen 90er Jahren, darunter Tafelbilder, Buntstiftzeichnungen, bemalte Keramikschalen, sowie Plastiken aus Pappmaché. Charakteristisch für Blumenscheins Werk ist die Vielfalt der Materialien, derer sie sich bedient. Prägend sind leuchtende Farben, eine anarchische Malweise, kindliches Malwerkzeug, sowie die Vorliebe für hybride Gestalten. Ihre Figuren hängen zwischen allen geschlechtlichen Zuschreibungskategorien und sind Vorläufer einer heutigen queeren Kultur.

Kategorie: Allgemein, Ausstellung, Galerien

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