Quiet enough to forget ist die erste Einzelausstellung von Kelly Weiss (*1996, lebt in Lyon/FR) in Deutschland. Für ihre Arbeiten nutzt die Künstlerin Leinwände, Boden, Wand, LKW-Planen und andere gefundene Objekte. Sie sind prozesshaft und nehmen jeweils direkten Bezug auf Raum, Umgebung und Bedingungen ihrer Ausstellungsorte. Als Insert werden innerhalb der Ausstellung zwei Videoarbeiten von Adele Dispaquale gezeigt.
Das Gehen durch oftmals urbane oder industrielle Räume nimmt Kelly Weiss zum Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Praxis. Hier beobachtet sie, nimmt Beziehungen zwischen Materialien wahr und sammelt u. A. Rost, Sedimente oder Polycarbonatplatten. Das von Weiss Gesammelte steht oft in Verbindung mit dem Verstreichen von Zeit und Aufmerksamkeit. Ihre Arbeiten sind geprägt von Leerstellen, Spuren, Ab- und Überlagerungen, die Erinnerungen in sich tragen und fragile Beziehungen zwischen Pigment und Träger, der Oberfläche und ihren Tiefen, der Beobachter:in oder Bewohner:in und ihrer Umgebung bilden.
Der Prozess, der Weiss Arbeiten zugrunde liegt, geht immer mit einer subtilen Transformation und einer Re-Kadrierung einher, die Ausschnitte rahmt und in den Blick rückt. Im Zentrum der Konzeption von Quiet enough to forget standen die lange Fensterreihe in der GAK und der tideabhängige Fluss der Weser am Gebäude entlang.
Der Stoff, auf dem einige der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten entstehen, wird eine Zeit lang am Weserufer liegen, vom Rhythmus des Flusses beeinflusst und mitbearbeitet. Die Malerei, die Weiss auf dem Stoff vor und nach dem Kontakt mit dem Wasser setzt, bringt unterschiedliche Zeitlichkeiten, menschliche und mehr-als-menschliche Einwirkungen sowie das Gebäude miteinander in Verbindung.
Sowohl Weiss Malerei als auch ihre skulpturalen Arbeiten können als Modelle von Bewohner:innenschaft betrachtet werden. Sie sind angesiedelt zwischen Innen und Außen, Abgrenzung und Differenz. Weiss schlägt in ihren Arbeiten einen Rahmen vor, um jenen Aspekten Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu schenken, die als flüchtig wahrgenommen werden, tatsächlich aber langfristig sind.
In engem Dialog mit den Arbeiten von Kelly Weiss zeigen wir in der Ausstellung außerdem zwei Videos von Adele Dipasquale (*1994, lebt in Den Haag/NL). Beide sind Teil einer umfassenden Recherche, die sich mit Sprache als konstruiertes Werkzeug auseinandersetzt. Sprache macht Kommunikation möglich, verhindert zugleich aber auch bestimmte Formen des Sprechens. Das Verhandeln dieser Grenzen von Sprache und Verständnis, das Verbalisieren und der Verlust von Sprache als Akte von Widerstand und möglicher Transformation stehen im Zentrum von Dipasquales künstlerischer Arbeit.
Beide Künstler:innen, sowohl Weiss als auch Dipasquale, richten in gewisser Weise den Blick auf grundlegende Gegebenheiten, um Verschiebungen zu versuchen und deren Grund zu hinterfragen.
Gefördert durch
Der Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen
Institute Français – Ministère de la Culture Français